Roland vor Gericht
„Zweifellos, die Anklage war gut vorbereitet und die Fakten sprachen für sich. Dennoch, als Privatperson gegen die gesetzgebende Instanz zu klagen braucht wohl mehr als für eine gerechte Sache einzutreten. Allein schon die eigentlichen Tatbestände aus den Umständen auszufiltern, keine Nebenschauplätze zuzulassen, wenn schon nicht entmutigend so doch ermüdend. Konkreter? Nun, den Staat der Anstiftung zur Denunziation sowie der gezielten Zwangsarbeit in Tausenden von Fällen zu bezichtigen, lässt Kollateralschäden wie gezielte Aufhebung des Datenschutzes ganzer Bevölkerungsgruppen schon fast vernachlässigbar erscheinen, Das Tüpfelchen auf dem i dann die Nebenklage der unterlassenen Hilfeleistung, Beklagte: alle Jurafachschaften deutschlandweit. Und die Bombe dann: Klage gegen den Bundestag, wegen einer verschwörerischen Übereinkunft, das gesamte Volk mit einer Zwangsabgabe derart zu belegen, dass selbst Nichtbetroffene zur Kasse gezwungen werden. Als besonders perfide galt es herauszuarbeiten, mit welcher Langzeitplanung wir es hier zu tun hatten. Natürlich, der Einbruch der GEZ-Einnahmen aufgrund explodierender Zugriffszahlen via Internet setzte eine Spirale in Gang: Weniger Einnahmen, schlechtere Qualität, weniger Einnahmen usw. Es kam, wie es kommen musste: wenn wir als Körperschaft keine Steuern erheben dürfen, lasst uns doch eine Abgabe erheben, die alle betrifft, Wie? Die GEZ belangt nun wohnungsweise ohne Unterschied alle Bürgerinnen und Bürger. Klingt vernünftig? Naja, bis zu dem Moment, wo definiert werden musste: Was ist denn eine Wohnung? Ein geschlossener Wohnbereich, der sich hinter einer Tür befindet, die auf den Hausflur führt. Ist doch einfach? Nun ja! Die von mir vertretenen Kläger wohnen in einer 5-er- und einer 12-er-WG. Hinter einer ins Treppenhaus führenden Wohnungstür ist ein gemeinsamer Vorraum, aus dem 2 Türen abzweigen. Eine Tür führt in eine Küche, von der zwei Seitenflure mit je 3 Zimmern und eine Küche abzweigen, von der Küche geht es in einen Wohnraum und zu einem Balkon, von wo aus es wiederum in eine Küche geht, von der es in 2 Seitenflure und zum Vorraum geht. Vom Hausflur geht es zusätzlich rechts und links ab, auf der einen Seite eine 2-er-WG, auf der anderen eine 3-er-WG, dort ist übrigens auch ein Wohnraum für die 2-er-WG. Da sich alle letztlich hinter einer Tür zum Treppenhaus befinden, haben die 17 Personen für EINE WOHNUNG bezahlt. Die GEZ hat damals bei Kenntnisnahme Nachforderungen angestellt, und zwar für 6 Wohnungen: (((3)+(3)+(3)+(3))+((3)+(2))). Zu unserem Verfahren gab es gab Ortstermine und Anhörungen, Sachverständige und eine Menge Presse. Die Urteile - sensationell: Die Jurafachschaften bekamen einen schweren Verweis wegen unterlassener Hilfeleistung und in Aussicht gestellt, dass eine Prüfung ihrer Fachschaftsgelder nun jährlich und nicht alle 5 Jahre stattfindet. Gemeinschaftlich veranlagt werden dürfen nur noch Bewohner, die einen gemeinsamen Wohnraum haben. Getrenntes Zahlen an die GEZ muss ermöglicht werden. Auskünfte, wer an die GEZ zahlt, dürfen nicht mehr erzwungen werden. Die gesetzgebende Gewalt muss binnen 2 Jahren das Regelwerk zur Umsetzung aufstellen. Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts: Leider ist es nicht beispiellos, sondern gemahnt an altbekannte Unterdrückungsmechanismen. Ein Parlament, das die begleitenden Gesetze nach mehreren Lesungen durchwinkt, das willkürliche Herausgreifen einzelner Wohngruppenangehöriger um mit gesetzlichem Druck als Inkassodienstleistende zwangsverpflichtet zu werden, und, im Falle säumiger Wohngruppenangehöriger, datenschutzrelevante Aussagen zu erzwingen, oder jene zur Anzeige zu bringen – als sei dies nicht die Aufgabe des Gläubigers, der GEZ. So mussten sich die Anwälte die richterliche Schelte anhören: Wer Gift und Galle in die Wohngemeinschaften spritzt, das Zusammenleben vieler Tausend Wohngruppen deutschlandweit dermaßen belastet, hat entweder gar nicht nachgedacht, was schon allemal schlimm genug wäre, oder das Böswillige in den Gesetzesausführungen ignoriert. Also danken Sie dem Schicksal, dass das Vorgehen der GEZ als fahrlässig statt mutwillig eingestuft wird und stimmen Sie dem Urteil zu!“
„Nun ja“, sagte Sabine mit einem schiefen Grinsen, „wenn es denn ein ordentliches Gerichtsverfahren gewesen wäre und keine Simulation eines möglichen Falls einer studentischen Laienschauspielgruppe – dann, vielleicht, wäre mehr als nur eine Lachnummer dabei rausgekommen“, sagte sie schnippisch.
Bielefeld 3.5.19
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