Roland gibt Rabatt
"Das Flugzeug war etwa 8 Stunden unterwegs. Trotz der schwarzen Kapuze, die mir übergestülpt war, seitdem ich aus der Bewusstlosigkeit erwachte, signalisierte mir die trockene Hitze beim Aussteigen, dass der Flug südwärts gegangen sein musste. Grob wurde ich in ein Auto bugsiert. 2 Stunden später wurde mir die Kapuze abgenommen. Ich stand in einem Innenhof, etwa 5x5m, mehr ein Lichtschacht. Umsäumt von Wänden aus großen Steinblöcken, in denen jeweils eine Türe und weiter oben lange schmale Fenster oder Lüftungsschlitze waren. Endlich bekam ich auch meine Entführer in Ruhe zu sehen. Als ich vor vielen Stunden abends vor meiner Haustür in einen Transporter gezerrt wurde, nahm ich nur Alltagsgesichter in der Dämmerung wahr. Dann wurde ich schon eingeschläfert. Dort im Innenhof jedenfalls stand ich vor drei Männern unterschiedlicher Herkunft. Ein deutscher Zivilist, ein Uniformierter ohne Landes- oder Rangabzeichen und ein Mann, der von überallher zwischen Indien und Nordwestafrika stammen konnte. Die Fragen, die mir gestellt wurden, sollte ich, ebenso wie die gezielten Vorwürfe, in den nächsten Tagen und Wochen immer und immer wieder zu hören bekommen: Wer meine Kontaktleute seien, welcher Zelle ich angehöre, warum ich Umgang mit 3 Personen pflege, deren Namen mir gar nichts sagten, und nicht zuletzt wo in meinem Wohnumfeld die konspirative Wohnung sei, wie ich sie finanziere und wer dort alles Unterschlupf habe und hatte... Anfangs gab man mir das Gefühl, mein Unvermögen auch nur eine Frage zu beantworten würde unter Umständen akzeptiert. Doch schon bald wurde aus der Befragung ein Verhör. Ton, Worte, Blicke und Gesten deuteten immer mehr Ungemach an. Letzte Chance vor den harten Methoden nannten sie es, als sie begannen, mir den Weg aufzuweisen, wie sie mir auf die Schliche gekommen sind: Vor drei Tagen geriet ihnen ein Kurier in die Fänge, wodurch ein gesuchter Terrorist ausfindig gemacht werden konnte - in meiner Heimatstadt. Leider sei eben dieser Mann bei der versuchten Festnahme gestorben. Bei der Routineuntersuchung der Tarnung bzw. einer Kontenüberprüfung habe sich ergeben, dass es zu einer Geldbewegung von mir zu ihm gekommen ist. Und nun wolle man endlich wissen, welche Kontakte...usw. Oder aber mir drohe die Folter. Schließlich sei ich wegen einer solchen Alternative an einen Ort wie diesen geschaffen worden. Ich begann zu verzweifeln, suchte nach einem Ausweg. Um Zeit zu schinden, fragte ich nach dem Betrag, der überwiesen wurde. Das sei auch so eine Frage an mich, was denn € 3,49 für eine Bedeutung hätten. Es sei schon klar, ein solcher Betrag könne nur eine codierte Bedeutung haben, aber auch das würde ich nach einer Intensivierung der Befragung sicherlich gerne benennen. Mir aber dämmerte plötzlich..."
"Dir dämmerte", blitzte Sabine mich an, "dass genau das der Betrag des Kassenrabatts war, den Du an den nächsten Kunden in der Schlange weitergegeben hast. Entgegen allen Beteuerungen werden die Rabattpunkte bei Kartenkunden nämlich doch aufgezeichnet. Du gibst Rabatt und ich werde eine Art Lawinenopfer dank Partnerkarte!“ Mit zusammengepressten Lippen unterschrieb Sabine mit mir die Geheimhaltungsverpflichtung. Erleichtert nahm ich die Entschädigungssumme entgegen und wir gingen zu dem Flugzeug, das mit laufendem Propeller auf uns wartete.
„Roland, wach endlich auf…“, an Sabines Gesicht vorbei sah ich den laufenden Deckenpropeller, trotzdem oder gerade wegen des Anblicks sprang mich die Hitze an. Ja, Urlaub im Süden ist schon…“ROLAND“, Sabine wedelte nachsichtig lächelnd mit meinem Pass, „…alles andere bleibt verschwunden, Dein Geld, Deine Kreditkarte – DEIN Urlaubsgeld. Du bist so blass - soll ich Dir von MEINEM Urlaubsgeld was zu trinken ausgeben?“
Bielefeld/Essen 20./24.4.14
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